Diskussion am 01.07. 2021: Wie weiter nach dem Parteitag der Scherben? Vortrag zur Einführung von Dr. Horst-Henning Jank

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

ich freue mich sehr, euch hier in Bildstock bei der DJK – quasi in meinem Wohnzimmer – begrüßen zu dürfen. Ich darf mich kurz vorstellen: Ich heiße Horst-Henning Jank, bin Volkswirt und OV-Vorsitzender hier (bei der DJK bin ich zum Glück nur Zweiter Vorsitzender).

VWL gelernt hab‘ ich in Saarbrücken, promoviert wurd‘ ich in an der BTU Cottbus mit einer Arbeit zum Thema „Institutioneller Wandel und wirtschaftliche Entwicklung in Georgien“. Erwähnen tu‘ ich das nicht um anzugeben, sondern weil wir auch hier ein bisschen institutionellen Wandel dringend gebrauchen können.

Bei den Grünen bin ich seit 1995 – wir dachten damals schon Ökologie und Ökonomie verbinden zu können – und zu müssen. Das gilt heute wie damals. Für die Grünen hier hab‘ ich zwischenzeitlich nach meiner Rückkehr aus Cottbus gearbeitet– als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Landtag und als Geschäftsführer der Fraktion im Regionalverband. Ich bin damals schon angeeckt – Details erspar‘ ich mir (?) und bin herzlich froh, nun aus dem „inneren Zirkel“ raus zu sein. Inzwischen unterrichte ich Volkswirtschaftslehre an verschiedenen Akademien – und werd‘ damit quasi für mein Hobby bezahlt. Auch nicht schlecht.

Das Treffen hier war ursprünglich gedacht, die Mitglieder und uns Wohlgesonnene hier (ja – auch die gibt es) bei der Stange zu halten. Ich sah‘ schon – ehrlich gesagt – unsere Felle davonschwimmen. Ich fragte mich: Wer hat allen Ernstes Lust, in einem bloßen Hubert-Ulrich-Wahlverein mitzumachen und sich vor seinen Karren spannen zu lassen? Ich weiß, dass Hubert – als erfolgreicher Menschenfänger – genug solcher Leute aufzutreiben weiß – woher auch immer. Aber das ist ja mit unser Kernproblem – dazu kommen wir sicher gleich noch.

Das Treffen hier wurd‘ dann doch „e greeßer Sach‘“, wie wir im Saarland sagen. Und es ist keineswegs von Nachteil, dass es hier in Bildstock stattfindet. Hier hat schon ein entfernter Verwandter von mir vor einiger Zeit Veranstaltungen organisiert. Das war der Nikolaus Warken – genannt „Eckstein“. Das fing an am 15. Mai 1889 mit 3.000 Bergarbeitern.

Verlangt wurde damals

  • der Achtstundentag,
  • ein Mindestlohn von vier Mark
  • und dass man die Bergleute nicht mehr während der Schicht in der Grube einsperrt.

Festgehalten wurde das seinerzeit im „Bildstocker Protokoll“.

Erfüllt wurden die Forderungen alle schließlich irgendwann, wie wir heute wissen. Aber keineswegs sofort. Erst mal wurde der Eckstein von der Bergwerksdirektion entlassen wegen (Zitat) „hervorragender agitatorischer Tätigkeit“. Es kam zum Bau des Rechtsschutzsaals, zu Streiks, zu bewaffneten(!) Konflikten – aber das ist ‘ne andere Geschichte. Wir lernen daraus, dass man auch mit Rückschlägen klarkommen muss und mitunter einen langen Atem braucht. Wie unsere Fußballmannschaft sagt: Mal verliert man, und mal gewinnen die andern.

Womit wir in der Gegenwart angekommen wären. Wir haben es auch heute mit einem scheinbar übermächtigen Gegner zu tun, der eine ganze (wenn auch kleine) Partei nach Gutsherrenart – manche sagen: wie ein Mafia-Pate – vor den Karren seiner persönlichen Interessen spannt. Die Methoden, mit denen er vorgeht, sind uns allen nur zu bekannt:

  • „Tote Seelen“: Mitglieder, die es wohl nur auf dem Papier gibt, und mit denen Delegiertenschlüssel manipuliert werden,
  • Rollkommandos von dubiosen Mitgliedern, die er mit Versprechungen – oder womit auch immer – geködert hat. Im Jargon: „Huberts himmlische Heerscharen“ – „himmlisch“ deshalb, weil keiner weiß, wo sie eigentlich herkommen.
  • Die „Heerscharen“ werden dann ausgeschickt, missliebige Vorstände abzuschießen und dafür zu sorgen, dass ihm hörige Delegierte die Parteitage dominieren.
  • Garniert wird das Ganze mit Versprechungen (Adam Schmitt nannte es: „virtuelle Möhren“), Drohungen und Einschüchterungen, mit denen Missliebige mundtot gemacht und – besser noch: aus der Partei gedrängt werden.

Aber wir wollen hier kein Festival der Schimpftiraden veranstalten. Das alles gehört untersucht und dokumentiert, und hier sind Augenzeugenberichte zusammenzutragen. Wie ich mitbekommen habe, ist so ein Projekt auf der Schiene (Kajo? Andrea?). Ich begrüße das – und will es nach Kräften unterstützen (also zum Beispiel: Korrektur lesen ;-)).

Wie dem auch sei: Mit dem „Parteitag der Scherben“ hat nun Hubert sozusagen sein Meisterwerk abgeliefert – zumindest aus seiner Sicht. Er darf nun – mit Verlaub: von seiner eigenen Machtfülle berauscht sein.

Er hat sich aber auch gleichzeitig in eine Sackgasse manövriert. Denn sein eigentliches Ziel ist nicht der Bundestag. Da hinein mag er ja noch kommen, wenn er auf der bundesweiten bündnisgrünen Welle surft. Aber er will ja in den Landtag (und nachmittags in die Saarlouiser Altstadt). Er ist aber nicht mehr imstande zu erkennen, dass ihm das mit einem bloßen Hubert-Ulrich-Wahlverein – und dazu hat er die Grünen degradiert – nie und nimmer gelingen wird. Seine alten Parolen – „Mehrheit ist Mehrheit“ und „Bis zur Wahl is‘ alles vergessen“ – dienen nur noch dem Selbstbetrug.

Mit seinem Putsch („Überfall mit Geiselnahme“ – und Geisel ist die grüne Partei) hat er nun auch langjährige Mitstreiter über die Klinge springen lassen – Leute, die lange sein Spiel mitgespielt und von seinem System profitiert haben. Es bleiben ihm nun nicht mehr viele, die bis drei zählen können. Das war ja auf dem Parteitag geradezu schmerzhaft zu beobachten. Schmerzhaft für alle Beteiligten.

Aber auch bis vor kurzem getreue Gefolgsleute Huberts sind hier willkommen. Wir sind auf jeden angewiesen. Wir Volkswirte halten uns in solchen wiederholten Prisoner’s Dilemma-Spielen – und in so einer Lage sind wir hier- gern an eine bewährte Strategie. Die heißt: „Tit for tat“ und beinhaltet drei Verhaltensregeln:

  1. Sei nett!
  2. Übe Vergeltung!
  3. Sei nicht nachtragend!

Das hier ist schließlich kein Rachefeldzug. Uns geht es hier zuallererst um eine zukunftsfähige grüne Partei.

In diesem Sinne bitte ich euch, hier konstruktive Vorschläge zusammenzutragen, wie wir aus der Sackgasse, in die Hubert natürlich auch uns manövriert hat, herauskommen. Womöglich nicht kurzfristig, denn da haben wir schlechte Karten: Selbst wenn die Liste kassiert und ein neuer Parteitag einberufen wird, hat sich an den Mehrheitsverhältnissen ja nichts geändert. Aber vielleicht irre ich mich ja.

Lieber Stephan, du wirst uns jetzt gleich die Rechtslage skizzieren, uns unsere Optionen – kurz-, mittel- und langfristig – aufzeigen – und mich hoffentlich widerlegen.

Im Anschluss seid ihr dran. Es gilt Strategien und Vorschläge zusammenzutragen, mit denen wir die herrschende bleierne Dumpfheit überwinden und wieder eine zukunftsfähige Partei auf die Beine stellen können. Ansätze dafür gibt es – wie ich im Netz sehe – ja schon genug – und vielversprechende noch dazu.

Vielleicht bekommen wir ja wieder ein „Bildstocker Protokoll“ hin – und können unsere Vorstellungen bald realisieren. Ich wünsche euch einen angenehmen Abend hier – die Veranstaltung ist ja auch als „kollektivbildende Maßnahme“ gedacht – und eine fruchtbare Diskussion.